Chronik

Erste Hälfte des 20. Jahrhunderts (1900 bis 1945)

Lebensmittelpunkt: Der alte Dorfplatz

Vom späteren, enormen Wachstum der Ortschaft Vaterstetten war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch wenig zu spüren. Auf Höhe der heutigen Einmündung der Fasanenstraße in die Dorfstraße stand die Dorfwaage und dahinter das kleine Feuerwehrhaus. An diesem historischen Dorfplatz zwischen Feuerwehrhaus, Kriegerdenkmal und Wasserturm spielte sich das Leben der damaligen Dorfjugend ab, wie Ehrenbürger und Feuerwehr-Ehrenmitglied Peter Linner in der Chronik zum 125-jährigen Jubiläum der Feuerwehr Vaterstetten aus eigener Erfahrung berichtete. Ein besonderes Ereignis: Die Feuerwehrübungen, die auf einer Holztafel angekündigt wurden.

Der Vaterstettener Dorfplatz 1910: Um den Maibaum das Feuerwehrhaus (links) und die St. Pankratiuskirche (rechts) sowie vorne das Ach- und im Hintergrund das Völkl-Anwesen.
Pass des dritten Kommandanten in der Geschichte der Feuerwehr Vaterstetten, Balthasar Reitsberger, aus dem Jahr 1901. Man beachte die damaligen „Feuerwehr-Gebote“.

Disziplin und Drill

Wenn dann der „Stelzl Wastl“ mit dem Fahrrad zu den Ortseingängen fuhr und mit dem Signalhorn den Feueralarm ankündigte, konnte man sicher sein, dass die gesamte Dorfjugend anwesend war. Die Übungen erfolgten laut Linners Überlieferungen mit großer Disziplin und – vermutlich auch den Umständen der damaligen Zeit geschuldet – fast militärischem Drill. Wenn Kommandant Balthasar Reitsberger zur Übung rief, standen die Männer (Frauen waren damals noch nicht zum Feuerwehrdienst zugelassen) in Reih und Glied. Die Dorfjugend durfte das Geschehen nur aus einiger Entfernung beobachten.

Als Löschgerät diente weiter die Handdruckspritze, Baujahr 1898, die von vier Männern bedient und von zwei Pferden gezogen wurde. In der Regel wurde auf die Pferde verzichtet und der Wagen von den Feuerwehrmännern selbst geschoben – die Wege in der damals noch recht überschaubaren Dorfgemeinschaft waren kurz.

Die Dorfjugend auf einem undatierten Foto vor dem alten „Feuer Haus“ an der heutigen Ecke Dorfstraße/Fasanenstraße hinter der ehemaligen Dorfwaage. Über den Inhalt der beiden Maßkrüge ist nichts überliefert.
Ölgemälde vom alten „Feuer Haus“ am Dorfplatz.

Kleines Dorf, großes Engagement

1934 bestand die Freiwillige Feuerwehr Vaterstetten aus 45 aktiven Mitgliedern – bei rund 470 Einwohnern im damaligen Zuständigkeitsbereich. Übertragen auf das heutige Schutzgebiet der Feuerwehr Vaterstetten mit über 22.000 Einwohnern würde dies einer aktiven Mannschaft mit über 2.100 Mitgliedern entsprechen!

Verlust der Eigenständigkeit im Dritten Reich

Zwei Jahre später, im Jahr 1936, verlor die Freiwillige Feuerwehr Vaterstetten, genauso wie die Wehren der Orte Baldham, Neufarn, Purfing und Weißenfeld, ihre Selbständigkeit und wurde als Abteilung in die Feuerwehr Parsdorf eingegliedert. Parsdorf stellte zur damaligen Zeit auch noch den Gemeindenamen.

Zweckentfremdung im zweiten Weltkrieg

Im zweiten Weltkrieg musste die Freiwilligen Feuerwehr zusätzliche Aufgaben übernehmen, wie das Stellen von Brandwachen oder nach Bombenangriffen überörtliche Löscheinsätze bis nach München. Für Luftschutzmaßnahmen wurden, auch in Vaterstetten, Befehlsstäbe aus den sogenannten Ortsführern, Luftschutzblockwarten und Feuerwehrführern gebildet. Dabei wurden den Feuerwehrleuten in den Kriegsjahren von der Obrigkeit auch Aufgaben zugewiesen, die mit dem Gründungsgedanken des Feuerwehrwesens und dem heutigen Selbstverständnis nichts gemein hatten: Etwa Streifendienst im Gelände zur Ergreifung flüchtender Kriegsgefangener und abgesprungener alliierter Bombenflieger.

In die Kriegsjahre fiel dann auch der erste Flugzeugabsturz auf Vaterstettener Flur: Nach alliierten Bombenangriffen auf den Rangierbahnhof München-Ost stürzte am 19. Juli 1944 ein angeschossener, amerikanischer B52-Bomber in das Waldstück an der Ottendichler Straße – eine Gedenktafel erinnert bis heute an das tragische Unglück. Fünf US-Soldaten konnten sich per Fallschirm retten und wurden von der herbeigeeilten Flughafenwache München-Riem festgenommen, weitere fünf Besatzungsmitglieder kamen beim Absturz ihrer Maschine ums Leben. Josef Hartl, damals Ortsobmann von Vaterstetten, ordnete an, dass unser damals 17-jähriger Zeitzeuge Peter Linner gemeinsam mit anderen Feuerwehrmitgliedern den Leichnam eines erst mehrere Tage nach dem Unglück gefundenen Toten bis zu seinem Abtransport am nächsten Morgen bewachen sollte.

Das älteste überlieferte Schriftstück der Feuerwehr Vaterstetten: Eine Namensliste mit 18 Feuerwehrmännern vom 8. September 1928.