Chronik

Gründungsjahre (1874 bis 1899)

Vaterstetten im 19. Jahrhundert

Zur Zeit der Feuerwehrgründung im Jahre 1874 war Vaterstetten ein schmuckloses Dorf und in vielerlei Hinsicht noch deutlich weiter von München, der damals schon prunkvollen Hauptstadt des Königreichs Bayern, entfernt als heute. Nur knapp 30 Häuser, darunter 13 landwirtschaftliche Anwesen, zählte die Ortschaft damals. Deren gut 180 Einwohner führten, geprägt von der hageren Landschaft, ein anspruchsloses Leben.

Brandschutz: Noch mangelhaft

Charakteristisch war dabei vor allem bei den Bauernhäusern eine gemauerte, erdgeschossige und breitgelagerte Bauweise mit Spitzgiebel. Der Bauzeit entsprechend waren die Gebäude größtenteils mit Holzschindeln, teilweise auch noch mit Stroh gedeckt. Größte Sorgfalt war daher beim Umgang mit offenem Feuer geboten – denn Kinspäne, Kerzen und Petroleumlampen waren bis zum Anschluss Vaterstettens an die Stromversorgung am 23. Januar 1915 die einzige Lichtquelle. Auch beim Kochen und handwerklichen Tätigkeiten, wie dem Schmieden, war offenes Feuer unverzichtbar. Unachtsamkeiten, aber auch Blitzschlag, konnten unter diesen baulichen Umständen katastrophale Folgen haben. Gerieten die trockenen, hölzernen Oberbauten und Dächer in Brand, konnten die Bewohner nur mit Glück noch sich, ihr Vieh und das wichtigste Hab und Gut retten.

Großbrände, die weit über das Mittelalter hinaus ganze Städte verwüsteten, sind aus Vaterstetten zwar nicht überliefert – doch für den kleinen, ärmlichen Ort und seine Bewohner war auch der Brand eines einzigen Gebäudes ein herber Schlag.

Dabei war es damals nicht nur um den vorbeugenden Brandschutz schlecht gestellt. Große Probleme bereitete seit jeher das Heranschaffen von Löschwasser, da Vaterstetten, für die Münchner Schotterebene typisch, weder über fliesende noch andere natürliche Gewässer verfügte. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war der 18 Meter tiefe Dorfbrunnen zwischen dem heutigem Brandhofer- und Ach-Anwesen die einzige ständig verfügbare Wasserstelle. Später kamen noch drei weitere Brunnen dazu, bevor im Jahre 1905 mit dem Vaterstettener Wasserturm eine zusätzliche Wasserreserve errichtet wurde.

Einsatz eines Feuerlöschgerätes, Entwurf (1615) von Salomon de Caus. Bild: Deutsche Fotothek

Erste Versuche: Brandschutz per Verordnung

Nicht nur in Bayern hatte man bis dato bereits jahrhundertelang vor allem über Verordnungen und Vorschriften versucht, den immer wiederkehrenden, oft fatalen, Bränden Herr zu werden. Erste Feuerlöschverordnungen aus dem 13. und 14. Jahrhundert regelten zum Beispiel, dass abends ab einer bestimmten Zeit alle Feuer ausgemacht werden mussten oder dass jeder Haushalt stets einen Eimer Wasser für Notfälle bereithalten müsse. Brandschutz wurde so vielerorts Bürgerpflicht. Doch lediglich in größere Städten bildeten sich darüberhinaus auch erste organisierte Strukturen – etwa indem Nachtwächter und Türmer über die Regeleinhaltung wachten und bei Feuer Alarm schlugen. Während der vorbeugende Brandschutz so zumindest kleine Fortschritte verzeichnete, dauerte es bis Mitte des 19. Jahrunderts, bis auch die „Brandwehr“ effektiver organisiert und technisch verbessert wurde.

Technischer Fortschritt als Meilenstein

Findige Erfinder und Kaufleute, wie der Heidelberger Fabrikant Carl Metz, begannen in Deutschland ab Mitte des 19. Jahrhunderts im größeren Stil „Löschmaschinen“ zu entwickeln, in Serie zu fertigen und zu vertreiben. Diese handbetriebenen Saug- und Druckspritzen, deren Grundprinzip schon in den Jahrhunderten davor entwickelt wurden,  sowie Schläuche aus Leder, später dann aus Hanf und Gummi, ermöglichten es, dem Feuer deutlich effektiver zu begegnen als mit Wassereimern. Der Begriff der „Spritze“ hat sich dabei übrigens bis heute gehalten, obwohl in „Tragkraftspritzen“ mittlerweile längst Motorpumpen ihren Dienst verrichten. Doch mit Technik alleine war es nicht getan – mussten die neumodischen Maschinen doch auch richtig bedient werden, um einen tatsächlichen Löscherfolg zu erzielen. Für einen abwehrenden Brandschutz, wie wir ihn heute kennen, fehlte noch ein weiteres Puzzlestück.

Josef Böhm (zweiter von rechts), erster Kommandant der Feuerwehr Vaterstetten von 1874 bis 1905, neben Paul Greißer, Michael Plötz sen. und Josef Zehetmair (von links).

Das fehlende Puzzleteil: Organisation

Auch Unternehmer wie Carl Metz erkannten, dass es mit der Auslieferung moderner Löschgeräte alleine noch nicht getan war. Vor allem aus Frankreich importierten sie das Konzept einer ganz neuen Form der organisierten Brandwehr: Das Löschcorps beziehungsweise „Pompier Corps“. Militärisch strukturierte Einheiten von Freiwilligen, die durch fachliche Ausbildung und regelmäßige Übung dafür sorgten, dass die neue Technik im Notfall auch fachgerecht und effektiv angewandt werden konnte. Ergänzt um taktisches Vorgehen und hierarchische Befehlsstrukturen hatte sich diese Organisationsform in Frankreich bereits bewährt.

In Deutschland bildete sich 1841 in Meißen das erste „Pompier Corps“ nach französischem Vorbild. Der deutsche Begriff „Feuerwehr“ wurde in den Folgejahren geprägt. Das erfolgreiche Modell verbreitete sich zügig und kam in Folge dessen auch nach Bayern. Vorreiter im Königreich war Augsburg, das bereits 1849 eine Vorgängerorganisation der späteren Feuerwehr gründete. 1853 folgte Nürnberg und 1866 die Stadt München. 1868 wurde der Bayerische Feuerwehrverband gegründet, eine Unterstützungskasse für Feuerwehrmänner wird eingerichtet.

Das moderne Feuerwehrwesen war geboren

Mit dem Dreiklang aus Brandschutzverordnungen, effektiver Löschtechnik und strukturierter Organisation war der Grundstein des modernen Feuerwehrwesens gelegt. Das königliche Bezirksamt Ebersberg erlies in diesem Kontext im Jahr 1874 eine Löschverordnung für seinen Distrikt, nach der jeder männliche Ortsbewohner vom 18. bis 55. Lebensjahr zum Feuerwehrdienst verpflichtet war. Ausgenommen waren lediglich Ärzte, Geistliche und Gendarmeriebeamte sowie Körperbehinderte.

Das älteste überlieferte, leider undatierte, Mannschaftsfoto der Freiwilligen Feuerwehr Vaterstetten. Mit im Bild: Eine vierrädrige Handspritze mit langer Deichsel und der Aufschrift „Vaterstetten 1874“ sowie die Standarte mit der Aufschrift „Freiwillige Feuerwehr Vaterstetten“.

Gründung der Feuerwehr Vaterstetten

In Vaterstetten wurde daraufhin, wie in vielen umliegenden Orten, noch im selben Jahr eine Feuerwehr gegründet. Die Verpflichtung zum Feuerwehrdienst – übrigens auch heute noch theoretisch möglich, falls der gemeindliche Brandschutz anders nicht sichergestellt werden kann – war bereits damals überflüssig: Es fanden sich genug Ehrenamtliche, um die „Freiwillige Feuerwehr Vaterstetten“ zu gründen.

Zuwendungen der Feuerversicherung und vermutlich auch der „Bieraufschlag“ als Gemeindesteuer schafften die finanziellen Voraussetzungen für die Anschaffung einer ersten handbetriebenen Spritze für die kleine Gemeinde. Zur Löschwasserversorgung diente in der Gründungszeit ein erweiterter Straßengraben gegenüber der Dorfkirche, in dem sich das Oberflächenwasser sammelte. Lange Trockenheit oder starker Frost vereitelten jedoch oft eine Wasserentnahme – dann musste im Ernstfall das kostbare Nass mühsam aus dem Brunnen hochgezogen und in die Löschmaschine geschüttet werden.

Ehrensache Ehrenamt

Soweit es überliefert ist, war der Feuerwehrdienst bei Übungen und Einsätzen – ungeachtet der schwierigen, örtlichen Verhältnisse – schon bald eine Tätigkeit, die die Aufmerksamkeit und Bewunderung vieler – besonders aber der holden Weiblichkeit – auf sich zog. Die Mitgliedschaft bei der Feuerwehr war damit schnell nicht mehr nur leidige Bürgerpflicht, sondern Ehrensache und erfreute sich großer Beliebtheit.

Die erste überlieferte, große Ersatzbeschaffung der Vaterstettener Floriansjünger fand 1898 statt: Die handbetriebene und von Pferden gezogene Saug- und Druckspritze aus der Gründungszeit wurde gegen ein verbessertes Exemplar ausgetauscht.

Der Vaterstettener Nachwuchs mit Fahne und Pickelhauben auf einem weiteren undatierten Foto. Von einer offiziellen Jugendfeuerwehr aus dieser Zeit ist allerdings nichts überliefert. Auf dem Bild ist eine andere Handspritze zu sehen, als auf dem ersten bekannten Mannschaftsfoto der Erwachsenen.