Chronik

Sprung in die Moderne (1972 bis 1999)

Die Motorisierung kommt

Anfang der 1970er Jahre war die Feuerwehr Vaterstetten nach wie vor nicht selbstständig motorisiert – wichtigstes Löschmittel war weiterhin die 1954 beschaffte und von privaten Fahrzeugen gezogene Motorspritze.

Durch die enorme Bautätigkeit im Siedlungsgebiet Vaterstetten – die Bevölkerung der Gemeinde Parsdorf hatte sich seit Ende des zweiten Weltkriegs fast verzehnfacht – sah sich der Kreistag Anfang der 70er Jahre abermals veranlasst, in Vaterstetten nun doch das bereits Jahre zuvor geplante Tanklöschfahrzeug zu stationieren. Voraussetzung war auch diesmal, dass eine Unterstellmöglichkeit für das Fahrzeug und ein weiteres Mannschaftstransportfahrzeug vorhanden waren.

Nachdem Vaterstetten, direkt an der 1871 gebauten Bahnstrecke von München nach Rosenheim gelegen, vor allem ab den Nachkriegsjahren die anderen Dörfer der Gemeinde Parsdorf beim Bevölkerungswachstum deutlich überflügelte, übersiedelte die Gemeindeverwaltung 1972 in das neu gebaute Rathaus an der Wendelsteinstraße. Sechs Jahre später übernahm die Gemeinde im Zuge der Gebietsreform dann auch den Namen ihres nun größten „Dorfes“: Gemeinde Vaterstetten.

Ein Meilenstein für die Feuerwehr Vaterstetten: Das erste Tanklöschfahrzeug „Bubi“. Hier bei einem ausgedehnten Heubrand – ausgerechnet auf dem Hof des damaligen Kommandanten Hans Luft.

Neues Gerätehaus

Auch für die Feuerwehr war das Olympiajahr 1972 in vielerlei Hinsicht ein Jahr des Aufbruchs: Sie konnte in das direkt neben dem neuen Rathaus gebaute Gerätehaus umziehen. Zwei der drei Fahrzeugstellplätze wurden noch im selben Jahr mit dem vom Landkreis beschafften Tanklöschfahrzeug – bis heute im Besitz des Vereins und liebevoll gepflegt – und dem von der Gemeinde finanzierten Löschgruppenfahrzeug besetzt. Für die Feuerwehr Vaterstetten ein wahrer Meilenstein, war sie doch nun auch technisch auf der Höhe der Zeit angekommen und dem zunehmenden Einsatzaufkommen in der boomenden Gemeinde wieder gewachsen. Mit der neuen Ausrüstung wuchsen auch die Aufgaben: So war das Tanklöschfahrzeug als Landkreisfahrzeug weit über das Ortsgebiet Vaterstetten hinaus im Einsatz. Im gleichen Maße wuchs auch die Kameradschaft der Feuerwehrler. 1973 fand der erste von mittlerweile zahlreichen Vereinsausflügen statt. Mit dem Bus ging es nach Kirchbichl in Tirol. Ein für alle Beteiligten besonderes Ereignis zur damaligen Zeit

Das 1972 bezogene Gerätehaus rechts neben dem Rathaus an der Wendelsteinstraße.

Internationaler Austausch

Wie fruchtbar der internationale Austausch auch im Umfeld der Feuerwehr ist, zeigt schon die Entstehungsgeschichte des Feuerwehrwesens in Deutschland nach französischem Vorbild.

USA-Studienreisen

Dieser Tradition verpflichtet hat auch die Feuerwehr Vaterstetten immer wieder den Kontakt zu Feuerwehren weit über die Landesgrenze hinaus gesucht. Im März 1979 übernahm eine Delegation unter Führung des damaligen Kommandanten Johann Luft eine erste einwöchige Studienreise  in die USA. Weitere gemeinschaftliche USA-Reisen folgten 1981 und 1989.

Unterstützung für Allauch

Auch die Vaterstettener Städtepartnerschaft mit dem französischem Allauch wurde von den Feuerwehrlern gepflegt. Ende Juli 1994 verabschiedete der damalige Bürgermeister Peter Dingler einen Konvoi mit 17 Feuerwehrmännern und fünf Fahrzeugen nach Frankreich. Das alljährliche Jugendzeltlager sollte  das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden:  Die Waldbrandgefahr ist in der Mittelmeerregion in den Sommermonaten regelmäßig hoch – Unterstützung bei den Kameraden in Allauch und Marseille daher gerne gesehen.

Nach 26 Stunden Fahrt folgte die eigentliche Arbeit: Auf unsere Freiwilligen warteten 24-stündige Bereitschaftsdienste bei der Berufsfeuerwehr Marseille, 8-stündige Brandwachdienste in den Wäldern um Allauch sowie Lager- und Küchendienste zur eigenen Versorgung. Am 3. August um 5:10 Uhr morgens wurden die Vaterstettener dann auch zum ersten Waldbrand gefordert – rund vier Stunden zogen sich die Löscharbeiten. Während des zweiwöchigen Aufenthalts unterstützen unsere Kameraden außerdem bei zahlreichen weiteren Einsätzen in und um Marseille und Allauch, bevor sie nach einer großen Abschiedsfeier mit den französischen Kameraden mit unzähligen, unvergesslichen Eindrücken die Heimreise anraten.

Besuch beim Ocean Beach Fire Department in den USA Ende der 1970er Jahre.
Verabschiedung der Vaterstettener Waldbrandbekämpfer nach Allauch am 30. Juli 1994.

100-jähriges Jubiläum

Am 18. Mai 1974 feierte die Vaterstettener Wehr dann bereits ihr 100-jähriges Bestehen – wie heute im Rahmen eines Kreisfeuerwehrtages. Leider meinte es das Wetter damals nicht gut mit den aus dem ganzen Landkreis angereisten Floriansjüngern: Die Feier auf der „Metzgerwiese“ an der heutigen Fasanenstraße geriet im Dauerregen beinahe zur Schlammschlacht.

Der Fuhrpark wächst mit seinen Aufgaben

Für die Feuerwehrblaskapelle wurde Anfang der 1970er Jahre ein Ford Transit als Transporter angeschafft. Vorbesitzer: Der in den 1960ern in Vaterstetten wohnende Sänger Udo Jürgens. Nach Auflösung der Kapelle wurde das Fahrzeug in vielen freiwilligen Arbeitsstunden zum Einsatzfahrzeug umgebaut, das noch bis 1981 seinen Dienst verrichtete und schließlich durch einen neuen Mannschaftsbus abgelöst wurde. Dieser Mannschaftsbus war in Vaterstetten bis zur Stationierung des Landkreis-Rüstwagens 1986 im Einsatz, bevor er in den Besitz der Feuerwehr Parsdorf-Hergolding überging.

Nachtruhe dank stiller Alarmierung

Ende der 1970er nahm die Einsatzhäufigkeit, auch aufgrund einer Serie von Brandstiftungen, stetig zu. Da oftmals mitten in der Nacht die Hochleistungssirene am Stadion losheulte, wurde 1980 auf die sogenannte „stille Alarmierung“ umgestellt. Seitdem tragen die aktiven Mitglieder der Feuerwehr Vaterstetten einen Funkmeldeempfänger mit sich herum, der sie Tag und Nacht ohne das charakteristische Sirenenheulen alarmieren kann.

Weniger Brände, mehr technische Hilfeleistungen. So auch am 14. Juli 1979, als ein schwerer Autounfall bei Parsdorf die Karriere von Fußballtorhüter Sepp Maier beendete.

Erster Rettungsspreizer für den Landkreis

Schon im Jahr 1975 hielt ein weiteres, heute kaum mehr weg zu denkendes, Einsatzmittel Einzug bei der Feuerwehr Vaterstetten: Der erste Rettungsspreizer im Landkreis Ebersberg. Die Einsatzhäufigkeit nahm daraufhin deutlich zu, da man nun auch zu schweren Verkehrsunfällen mit eingeklemmten Personen bis Hohenlinden oder Ebersberg alarmiert wurde.

Der stetig zunehmende Autoverkehr, auch im Zuge des Autobahnausbaus auf Vaterstettener Flur, veranlasste den Landkreis später dazu, 1986 einen großen Rüstwagen in Vaterstetten zu stationieren. Bereits seit den 1970ern hatte sich der Einsatzschwerpunkt langsam von der Brandbekämpfung hin zur technischen Hilfeleistung verschoben – ein Trend, der bis heute anhält. Da der neue Rüstwagen nur drei Sitzplätze hatte, wurde 1989 ein neun Jahre alter VW-Bus, gespendet von der Firma Denk, in Eigenleistung durch Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr vom Blumentransporter zum Mehrzweckfahrzeug umgebaut. 1995 wurde es durch ein neues Mehrzweckfahrzeug abgelöst, das bis heute im Dienst der Gemeindefeuerwehren steht: Von der Feuerwehr Baldham wurde es zunächst als MZF übernommen und später dann in Eigenleistung zum Tragkraftspritzenfahrzeug umgebaut.

Eine der ersten Übungen mit dem neuen Rettungsspreizer im Oktober 1975 auf dem Gelände eines Schrottverwerters in Weißenfeld.

Unwetter sorgen für die einsatzreichsten Jahre

Eines der markantesten Ereignisse der 1980er Jahre war für die Feuerwehr das Hagelunwetter vom 12. Juli 1984. Binnen kurzer Zeit ging im Bereich Vaterstetten eine extrem große Menge Niederschlag, teils auch in Form von großkörnigem Hagel nieder. Die Folgen waren immens. Neben zahlreichen Schäden an Hausdächern und Fahrzeugen wurde auch ein Großteil der Ernte zerstört. Die Feuerwehr Vaterstetten war mehrere Tage lang über 900 Stunden im Einsatz – teils unterstützt von „ca. 15-18“ anderen Feuerwehren, so die damaligen Einsatzberichte.

Im Spätwinter 1990 folgten dann kurz hintereinander zwei starke Orkane. „Vivian“ und „Wiebke“ zogen über Deutschland hinweg und hinterließen auch in Vaterstetten eine Spur der Verwüstung. Straßen waren teilweisen tagelang nicht passierbar und die Schule fiel aufgrund des Sturmes für zwei Tage aus. Die beiden Orkane bescherten der Feuerwehr Vaterstetten fast 450 Einsätze.

Im Jahr 1990 sorgten die Orkane Vivian und Wiebke binnen weniger Tage für 445 Einsätze für unsere Aktiven Mitglieder.

Frauen in der Feuerwehr

Frauen in der Feuerwehr sind in Bayern seit 1966 möglich. Die Verordnung wurde aus einem gar nicht mal so feministischen Grund erlassen: Während die Männer in den Städten bei der Arbeit waren, musste der Brandschutz in den Dörfern auch tagsüber gewährleistet werden.

In Vaterstetten hat es tatsächlich noch weitere 33 Jahre gedauert, bis 1999 die ersten beiden Pionierinnen unserer Feuerwehr beigetreten sind. Seitdem sind Frauen nicht mehr wegzudenken. Von der Jugend bis in die Vorstandschaft und mit fast allen bei uns möglichen Spezialausbildungen und Rängen übernehmen sie an sämtlichen Stellen unserer Feuerwehr entscheidende Funktionen für die Sicherheit unserer Gemeinde und ihrer Bürger.

Heute liegen wir mit einem Frauenanteil von 17% deutlich über dem bayerweiten Schnitt. Klar ist damit aber auch: Da geht noch mehr!

Ein Teil der Vaterstettener Feuerwehrfrauen im Jahr 2024.

Gerätehaus platzt aus allen Nähten

Durch die ständig zunehmenden Einsatzzahlen – auch aufgrund der weiter stark wachsenden Einwohnerzahlen von Baldham und Vaterstetten – wurden noch ein Transport-, ein Sicherungs- und ein Pulverlöschanhänger angeschafft, so dass das Feuerwehrgerätehaus am Rathaus schon in den 1980ern aus allen Nähten platzte. In den 1990ern wurden die Planungen für den Bau eines neuen Gerätehauses schließlich konkret – zu beengt und unvorschriftsmäßig war die Unterbringung der Feuerwehr neben dem Rathaus an der Wendelsteinstraße geworden. Der Weg bis zum neuen Rettungszentrums war allerdings durchaus noch beschwerlich.

125-jähriges Jubiläum

Am 11. Juli 1999 feierte die Freiwillige Feuerwehr Vaterstetten dann im Rahmen des 123. Kreisfeuerwehrtages ihr 125-jähriges Bestehen – im Vaterstettener Sportstadion in unmittelbarer Nachbarschaft zur Baustelle des neuen Gerätehauses.

Die Feuerwehrmitglieder beim 125. Gründungsfest mit Kreisfeuerwehrtag 1999 in Vaterstetten.